The Salesman

Donald Trump hat in den ersten Tagen seiner Amtszeit bekanntlich einiges angerichtet. Seine Dekrete, die er wie am Fließband unterzeichnet, richteten einigen Schaden an. Von zwei Opfern seiner Dekrete ist auch in dieser Filmkritik zu berichten.

Regisseur Asghar Farhadi wurde ein Opfer des gegen Staatsbürger aus sieben muslimischen Ländern verhängten Einreisebanns, der seit Tagen die Gerichtsinstanzen beschäftigt. Deshalb muss die Oscar-Verleihung am 26. Februar 2014 ohne Farhadi stattfinden, obwohl er dort gute Chancen hat, den Preis für den besten nicht-englischsprachigen Film zu gewinnen. Im Rennen sind u.a. noch der hochgelobte „Toni Erdmann“ (Kritik) und der bemerkenswerte Film „Tanna“ (Kritik im Rahmen des Around the World in 14 films).

Aber auch sein Film „The Salesman“ wurde ein Opfer von Trumps Politik: zum deutschen Kinostart drehte sich die Berichterstattung in den Feuilletons nun vor allem um das Reiseverbot für den Regisseur und weniger um die Qualität des Films.

Diese ist durchaus beachtlich und hat deshalb – auch unabhängig von der weltpolitischen Lage – cineastische Aufmerksamkeit verdient. Farhadis Film gibt sich zu Beginn betont harmlos. Das Publikum spürt lange nicht, worauf der Regisseur hinaus will. Wir lernen ein Paar aus der Mittelschicht von Teheran kennen. Emad und Rana sind gerade mitten in den Theater-Proben zum „Tod eines Handlungsreisenden„, als sie sich eine neue Wohnung suchen müssen.

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Der Regisseur versteht es in seiner Exposition sehr geschickt, sowohl das iranische als auch das internationale Publikum zu bedienen. Die wachsende Mittelschicht im Iran fand sich in den Schilderungen des Alltags des jungen Paares offensichtlich so gut wieder, dass der Film im Iran zu einem Kassenhit wurde: „Der Film brach 2016 alle Einspielrekorde, die Menschen standen schon um sechs Uhr morgens vor den Kinos Schlange“, berichtete SPIEGEL Online. Das westliche Festival- und Programmkino-Publikum wird hellhörig, wenn die Schauspieler betont beiläufig, aber ganz ausdrücklich die Zensur im Iran thematisieren. Die erste Szene dominiert ein gewaltiger Riss, der das Wohnhaus der Hauptfiguren bedroht. Im Westen wird dieser Riss natürlich gerne als Metapher für Bruchstellen in der Islamischen Republik Iran gelesen.

Erst spät beginnt der eigentliche Plot: Rana (Taraneh Alidoosti) wird von einem Unbekannten unter der Dusche überfallen. Es ist unklar, ob sie vergewaltigt wurde oder sich in der Schrecksituation verletzte. Jedenfalls verliert sie den Halt, sie fühlt sich in der Beziehung mit ihrem Mann nicht mehr wohl, in ihrer Wohnung nicht mehr sicher und kann auch ihren Beruf längere Zeit nicht ausüben.

„The Salesman“ entwickelt sich zu einem intensiven Drama, das die Themen Schuld und Vergebung, Rache und Selbstjustiz, Ehre und Sexualmoral verhandelt. Es ist lohnend, sich das anzuschauen. Im Hintergrund schwingt immer die Frage mit, wie offen man Dinge an- und aussprechen darf, kann oder soll – sowohl in der iranischen Theokratie als auch in der privaten Beziehung.

„The Salesman“ wurde bei seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes im Mai 2016 mit dem Preis für das beste Drehbuch (an Asghar Farhadi) und für den besten Hauptdarsteller ( Shahab Hosseini als Emad) ausgezeichnet.

Die Berlin-Premiere fand am 29. November 2016 am Eröffnungswochende des „Around the World in 14 films“-Festivals statt.

Am 2. Februar 2017 startete der Film in den deutschen Kinos. Webseite und Trailer

Update vom 27. Februar 2017: „The Salesman“ setzte sich gegen „Toni Erdmann“ und gewann den Oscar für den besten fremdsprachigen Film

Bilder: © 2016 PROKINO Filmverleih GmbH

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